Stolpersteinverlegung
Erinnerung lebendig halten: Stolpersteinverlegung mit der Klasse 11a des Kepler-Gymnasiums
Wie oft geht jeder von uns pro Jahr am City-Center in der Weidener Innenstadt vorbei? Wahrscheinlich recht oft. Normalerweise bleibt vor dem Haupteingang dieses etwas in die Jahre gekommenen Einkaufszentrums mit seinen mintgrünen Fenstern und Türen niemand stehen. Vielleicht ändert sich das seit dem 12. November 2024.
An diesem Tag wurden hier und an anderen Stellen in der Innenstadt sog. Stolpersteine verlegt, das sind Platten aus Messing in der Größe und Form von Pflastersteinen. Darauf zu lesen sind Namen. Namen von Jüdinnen und Juden, die vor und während der NS-Zeit in den Häusern, vor denen die Stolpersteine verlegt worden sind, gewohnt haben. Namen von Menschen, die damals ganz normale Freunde und Nachbarn waren. Namen von Menschen, die dann von den Nationalsozialisten und deren Mitläufern ausgegrenzt, erniedrigt und gedemütigt wurden. Namen von Menschen, die zur Flucht getrieben worden sind. Namen von Menschen, die in Ghettos und Konzentrationslager verschleppt worden sind, wo sie auf schreckliche Art und Weise umkamen.
Die Klasse 11a des Kepler-Gymnasium hatte die ehrenvolle Aufgabe übernommen, die Verlegung der Stolpersteine, die von der Stadt Weiden, dem Stadtarchiv und der Gesellschaft zur christlich-Jüdischen Zusammenarbeit organisiert worden war, maßgeblich mitzugestalten. Die Schülerinnen und Schüler recherchierten anhand von Archivmaterial die Lebenswege der jüdischen Familien und präsentierten diese bei der Veranstaltung. Ihr Anliegen war es, diesen Menschen durch ihre Arbeit Würde zu verleihen und ihr Andenken vor dem Vergessen zu bewahren.
Es könnte also sein, dass man bei der nächsten Shopping-Tour über die drei Messingsteine vor dem City-Center „stolpert“. Auf den Steinen stehen die Namen der Familien Boscowitz und Rebitzer: Wie Schülerinnen und Schüler der 11a erklärten, gab es damals dort natürlich noch kein Einkaufszentrum, sondern eine kleine Schuhfabrik namens „Salix”, zu Deutsch: Weide. Die Inhaber dieser Fabrik war eben diese Familie Boscowitz-Rebitzer. Sie bestand aus Johanna und Albert Boscowitz mit ihrer Tochter Sabine und aus Ernestine und Gustav Rebitzer mit ihren Kindern Rosa und Herrmann.
Doch wie bei so vielen Familien damals geriet die Familie Boscowitz-Rebitzer wegen ihres jüdischen Glaubens ins Fadenkreuz der Nationalsozialisten. Albert Boscowitz starb schon 1938. Während ein Großteil der Kinder noch fliehen konnte, fielen die Eltern Ernestine, Gustav und Johanna den Deportationen zum Opfer. Ernestine verlor bei dieser bereits ihr Leben, als sie an einer Sammelstelle für Juden in Nürnberg einen Herzstillstand erlitt. Gustav Rebitzer starb am 3.1.1943 im KZ Theresienstadt. Johanna Boscowitz wurde am 24.3.1942 im Ghetto Izbica, einem Transitlager für die KZs Belzec und Sobibor, ermordet. Rosa hingegen blieb als einzige in Weiden zurück. Ihr Mann Friedrich Hoffmann, ein Arzt, versteckte sie für einige Jahre. So konnte es sein, dass sie selbst 1943, wo Weiden von den Nationalsozialisten bereits als „judenfrei“ betitelt wurde, sich noch in der Stadt befand. Sie verdankte ihr Leben einigen Personen, die ihr Zuflucht gaben.
Ein weiterer Stolperstein wurde vor dem Wohnhaus in der Johannisstraße 17 verlegt. Er erinnert an Ernestine Kohner, die dort bis zu ihrer Deportation nach Theresienstadt lebte. 18 Monate lang ertrug sie die unmenschlichen Bedingungen des Konzentrationslagers, bevor sie dort starb. Kurz vor ihrer Verschleppung schrieb sie in der Johannisstraße einen bewegenden Abschiedsbrief an ihre Freundin Maria, den eine Schülerin während der Gedenkveranstaltung vorlas.
Die Stolpersteinverlegung war ein würdevoller Akt, an dem auch Nachfahren der Opfer teilnahmen, um ihrer Verwandten zu gedenken. Die Schülerinnen und Schüler der 11a berichteten von der Dankbarkeit und den berührenden Gesten dieser Menschen, die die Erinnerungsarbeit der Jugendlichen ausdrücklich wertschätzten.
Abschließend soll ein Auszug aus einem Beitrag der Klasse stehen: „Es ist immer irgendwie sonderbar, welche Gefühle man hat, wenn man einen Stolperstein sieht. Wir sind traurig, weil der Mensch, dessen Namen wir lesen, dem Nationalsozialismus zum Opfer fiel. Wir sind enttäuscht, denn diese Person hatte Ziele, Hoffnungen und Erwartungen an die Zukunft, die sie nie erleben konnte. Wir sind bestürzt, da das Leiden dieser Person unvorstellbar ist. Und wir sind wütend, weil die Qualen unfair und unmenschlich waren. Dieses Schicksal hat niemand verdient.
Wir hoffen, dass die Stolpersteine, die wir heute verlegen, dazu beitragen, die Erinnerung weiterzutragen.“
Tobias Wagner (Geschichtslehrer der Klasse 11a)
Fotos: Christine Ascherl (Oberpfalzecho)